Witterungsbereinigung für mehr Vergleichbarkeit von Kennzahlen
Im Zuge zunehmender regulatorischer Anforderungen und wachsender Erwartungen von Investoren und regulatorischen Vorschriften wird das ESG Reporting für Immobilienakteure immer relevanter. Ein zentrales Element dabei ist die transparente Ausweisung des Energieverbrauchs, der in Strom und Wärmeenergie unterteilt wird. Wer Energieverbräuche in Immobilienportfolios sauber analysieren und Entwicklungen über die Zeit korrekt darstellen will, kommt an einem Thema nicht vorbei: der Witterungsbereinigung.

Warum eine Witterungsbereinigung notwendig ist
Der Energieverbrauch eines Gebäudes hängt nicht nur von seiner Effizienz oder von umgesetzten Sanierungsmassnahmen ab, sondern in hohem Masse auch vom Wetter. Ein strenger Winter lässt die Verbräuche steigen, unabhängig von technischen Verbesserungen. Ein milder Winter hingegen kann Effizienzgewinne optisch überzeichnen. Für ESG-Manager, die jährlich Energiekennzahlen veröffentlichen, stellt dies eine Herausforderung dar: Nur wenn Witterungseinflüsse aus den Daten rechnerisch entfernt werden, lassen sich Verbräuche über mehrere Jahre hinweg vergleichen. In einem kalten Winter ist der Heizbedarf naturgemäss höher als in einem milden. Studien zeigen, dass der Wärmeverbrauch pro Grad Celsius Abweichung um bis zu 8 % schwanken kann. Ohne Witterungsbereinigung kann der Vergleich zum Vorjahr zu Fehlinterpretationen führen; Effizienzgewinne bleiben unentdeckt oder Massnahmen erscheinen wirkungsvoller als sie sind.
Für die Berechnung von umweltrelevanten Kennzahlen, wie sie von der AMAS definiert wurden (und die von KGAST und ASIP übernommen wurden), hat sich die REIDA-Methodik etabliert. REIDA legt unter anderem auch Standards zur Witterungsbereinigung fest.
Der Berechnungsprozess im Überblick
Die Bereinigung der Energieverbräuche erfolgt in mehreren Schritten. Dabei werden sowohl individuelle Eigenschaften der Gebäude als auch regionale Wetterdaten berücksichtigt.
1. Erheben von Grundlagedaten
Zunächst müssen saubere Grundlagendaten vorhanden sein:
- Wärmeenergieverbrauch pro Liegenschaft, idealerweise getrennt in Heizwärme und Warmwasser
- Adressdaten der Liegenschaft: sie sind zentral für die geografische Zuordnung.
- Die Energiebezugsfläche pro Liegenschaft
- Idealerweise der Nutzungsgrad der Heizanlage in der Liegenschaft (oder Annahme für den entsprechenden Energieträger gemäss REIDA Methodik)
2. Zuordnung der Liegenschaft zu einer Messstation zur Bestimmung der Aussentemperatur
Der nächste Schritt besteht in der Zuordnung zu einer offiziellen Messstation. In der Schweiz stehen laut SIA-Norm 2028:2010 rund 40 qualitätsgesicherte Wetterstationen zur Verfügung. Entscheidend ist dabei:
- möglichst geringe Distanz zur Liegenschaft
- ein Höhenunterschied von weniger als 200 m, um klimatische Verfälschungen zu vermeiden.

3. Ermittlung der gebäudespezifischen Basistemperatur
Die Basistemperatur ist der Schwellenwert, ab dem ein Gebäude beheizt werden muss, um eine angenehme Innentemperatur zu halten. Diese Temperatur ist ein Näherungswert und wird individuell berechnet. Sie hängt vom energetischen Zustand der Liegenschaft ab. Einflussfaktoren sind:
- Heizwärmeverbrauch (Gesamtenergieverbrauch minus Energie zur Erzeugung von Warmwasser)
- Nutzungsgrad der Heizungsanlage
- Energiebezugsfläche (EBF)
Die Basistemperatur bildet die Grundlage für die nachfolgende Bestimmung der Heizgradtage.
4. Berechnung der aktuellen akkumulierten Temperaturdifferenz (ATD)
Die sogenannte Akkumulierte Temperaturdifferenz ATD (SIA 380:2022; Anhang F) gibt an, wie stark und wie lange in einer Periode geheizt werden musste. Dafür wird die Differenz zwischen der Basistemperatur und den tatsächlichen täglichen Aussentemperaturen berechnet. Positive Differenzen werden aufsummiert – je grösser die Summe, desto mehr Heizbedarf bestand in der jeweiligen Berichtsperiode.

5. Vergleich mit einem Referenzzeitraum
Um die aktuelle Wettersituation in einen langfristig vergleichbaren Kontext zu setzen, wird eine Referenz-ATD berechnet. Diese bezieht sich auf die durchschnittliche Temperatur über einen bestimmten Zeitraum. So wird sichergestellt, dass das Ergebnis unabhängig von kurzfristigen Wettereinflüssen ist.
6. Bereinigung des Heizwärmebedarfs
Die Korrektur erfolgt nun mittels Verhältnis-ATD:
- Verhältnis ATD = Referenz-ATD / aktuelle ATD
Dieser Faktor wird auf den Heizwärmeverbrauch angewendet. So entsteht ein witterungsbereinigter Verbrauchswert, der unabhängig von klimatischen Schwankungen ist. Der Warmwasserverbrauch wird nicht bereinigt, da er von der Aussentemperatur weitgehend unabhängig ist. Er wird zum Schluss wieder zum bereinigten Heizwärmeverbrauch addiert.
Erweiterte Anwendungsbereiche
Die Logik der Witterungsbereinigung lässt sich auf weitere Energiethemen anwenden. Auch Kühlenergie unterliegt klimatischen Schwankungen, allerdings in umgekehrter Richtung: Je wärmer der Sommer, desto höher der Kühlbedarf. Eine ATD-basierte Bereinigung kann helfen, Klimaschwankungen zu neutralisieren. Gleiches gilt für die Produktion von Solarstrom, deren Ertrag stark von der Sonneneinstrahlung abhängt. Normierungen machen Erträge vergleichbarer.
Fazit: Eine Pflicht für jede ESG-Datenstrategie
Die Witterungsbereinigung ist weit mehr als eine methodische Spielerei. Sie ist ein zentrales Element für belastbares, transparentes und vergleichbares ESG Reporting. Nur wenn klimatische Effekte herausgerechnet werden, lassen sich Entwicklungen über die Zeit wahrheitsgetreu analysieren und Portfolios oder Liegenschaften untereinander vergleichen.
Mit der REIDA-Methodik steht ein bewährter und transparenter Standard zur Verfügung, der sich zunehmend durchsetzt.